Hintergrundinfos

Sächsische Auswanderer » Unsere Personenwagen

Als die Pioniereisenbahn Cottbus vor etwa 60 Jahren ihren Betrieb aufnahm, bespannte die Brigadedampflok 99 0001 den Eröffnungszug. Geht es um die Geschichte unserer Bahn, so ist viel von den Lokomotiven, der Strecke und den Bahnhöfen zu lesen.

Die meiste Zeit verbringt der Fahrgast aber in einem der Personenwagen, die zu unrecht ein Schattendasein führen. Denn sie haben eine turbulente Geschichte hinter sich und schon mehr Jahre auf dem stählernen Buckel, als so mancher glaubt. Eine Sache eint sie aber: Es sind ausgewanderte, waschechten Sachsen! Um sie soll es an dieser Stelle gehen.

Die sächsischen Schmalspurbahnen » alte Heimat unserer Wagen

Sachsen ist das Land der Schmalspurbahnen. Mehr als 550 Gleiskilometer – verteilt auf 30 einzelne Strecken – durchzogen einst das einstige Königreich. Anders als in Preußen, wo Kleinbahnen meist privat errichtet wurden, war der sächsische Staat schon früh von deren Notwendigkeit für die Erschließung abgelegener, ländlicher Gebiete oder touristisch interessanter Regionen überzeugt. Die sogenannten „Secundärbahnen“ ergänzten ab 1881 das bis dahin entstandene normalspurige Eisenbahnnetz. Somit war kein Ort in Sachsen weiter als 15 km von einem Bahnhof oder Haltepunkt entfernt. Eine Mobilitätsgarantie des 19. Jahrhunderts vom sächsischen Monarchen für seine Bürger, als Autos noch unbekannt waren. Die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen (K.Sächs.Sts.E.B.) errichteten die Schmalspurbahnen bis auf drei Ausnahmen immer mit einer Spurweite von 750 mm und einem weitestgehend genormten Fahrzeugpark. Dieselben Lok- und Wagentypen fanden sich auf fast allen Strecken und konnten aufgrund der gemeinsamen Betriebsführung auch nach Bedarf von einer Linie auf die andere umgesetzt werden. Günstige Instandhaltung dank untereinander tauschbarer Bauteile war ein weiterer Vorteil. 1920 übernahm die neu gegründete Deutsche Reichsbahn auch den Betrieb der sächsischen 750-mm-Strecken und führte noch leistungsfähigere Lokomotiven sowie größere Wagentypen ein. Eine bemerkenswerte Neuerung war die halbautomatische Mittelpufferkupplung der Bauart Scharfenberg, welche viele Neufahrzeuge ab den 1930er Jahren trugen und die seitdem bei vielen vorhandenen Fahrzeugen gegen die alte Trichterkupplung ausgetauscht wurde. Eine Innovation vergangener Tage, die auf der Regelspur bis heute nicht durchführbar war. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangten zahlreiche sächsische Fahrzeuge auch auf andere Schmalspurbahnen in der DDR – so zu den Bäderbahnen der Ostsee, umgespurt in den Harz und den Spreewald, aber auch zu den Pioniereisenbahnen in Berlin und Cottbus. Wenn auch viele sächsische Schmalspurstrecken zwischen 1945 und 1986 stillgelegt wurden, bestehen fünf bis heute, während Abschnitte zweier anderer nach 1990 wiederaufgebaut wurden. Als Touristenattraktion vermitteln sie, fünf davon mit täglichem Fahrbetrieb, noch heute das Reisegefühl der Vergangenheit. Der technikinteressierte Besucher kann darüber hinaus die oft in Vereinsarbeit gepflegten Museumsfahrzeuge fast aller Bauarten und Epochen im Original besichtigen.

Mehr informationen: www.dampfbahn-route.de

Kupplungssysteme bei der Cottbuser Parkeisenbahn

Aus Sachsen kam mit den ersten Wagen 1954 auch die sächsische Trichterkupplung zur Cottbuser Pioniereisenbahn. Dieses Kupplungssystem hat jedoch, passend für die ursprüngliche 750-mm-Spurweite der Wagen, eine Kuppelhöhe von 615 mm über Schienenoberkante, wobei auf 600-mm-Bahnen eigentlich 325 mm üblich sind. Da nach dem Umspuren der Wagen eine Änderung der Trichterkupplung jedoch zu aufwändig erschien, beließ man es dabei und passte stattdessen die Lokomotive an, was damals den geringeren Aufwand bedeutete. Als jedoch weitere Loks zur Cottbuser Pioniereisenbahn gelangten, entstanden an diesen teils abenteuerliche Kupplungs-Konstruktionen, welche die Zug- und Druckkräfte nicht optimal übertragen konnten. Auch die sächsischen Kupplungen an den Wagen wurden umgebaut. Ursprünglich gab es an einer Stirnseite des Wagens einen kurzen Trichter mit glattem Pufferteller sowie einem Schlitz in der Mitte. Am anderen Wagenende existierte ein langer Trichter, daran einen gewölbten Pufferteller mit großer Öffnung und einem darin seitlich ausschwenkbaren Kuppeleisen. Die Wölbung des einen Puffertellers war nötig, da zwischen den gekuppelten Puffern im Originalzustand kein Spalt vorhanden war, diese aber trotzdem beim Durchfahren von Gleisbögen eine Relativbewegung ausführen mussten. Die asymmetrische Kupplungsanordnung bedingte, dass die Wagen nicht gedreht werden durften, was aber seit dem Bau der Wendeschleife 1974 in Cottbus möglich war. Die Neubauwagen von 1961 erhielten von Anfang an gewölbte Schlitzpuffer auf beiden Seiten. Als dann der Umbau der restlichen Wagen auf Waldbahn-Drehgestelle erfolgte, wurde auch die Kupplung verändert. Die sächsischen, gewölbten Puffer mit dem Kuppeleisen wurden an allen Wagen entfernt, ebenso die ursprünglich unter dem Wagenboden vorhandenen durchgehenden Zugstangen. Die offenen Wagen erhielten stattdessen im Tausch beidseitig den glatten, sächsischen Schlitzpuffer, vermutlich stammend von den Mittelwagen des geschlossenen Zuges. Dort wiederum baute man Waldbahnpuffer mit Zweiloch-Kuppeleisen an. Diese waren ursprünglich an Waldbahn-Drehgestellen montiert, die nun unter den Parkbahn-Wagen eine neue Verwendung fanden. Der Anbau erfolgte jedoch technisch bedingt an der Position der ehemals sächsischen Kupplung. Die Waldbahnpuffer verbinden nun die geschlossenen Wagen untereinander, da der Wagenverband in der Regel nicht getrennt wird. Will man dies jedoch trotzdem tun (z.B. für Sonderzüge), muss man darauf achten, dass die Wagen mit den passenden Kupplungen zueinander stehen. Auf den Seiten zur Lokomotive hin ist nach wie vor der sächsische Schlitzpuffer im Einsatz. Als Kuppeleisen dienen dabei ehemalige seitliche Laschen von Regelspur-Schraubenkupplungen mit einem aufgeschweißten Handgriff, wodurch sich ein relativ großer Abstand zwischen den Puffertellern ergibt. Heute hat die Cottbuser Parkeisenbahn mit diesem aus Not und Improvisation heraus geborenen Erbe ein wenig zu kämpfen: Der Kupplungsvorgang ist ausschließlich in der Bewegung des Heranfahrens und nicht im Stillstand möglich, was diese Arbeit nicht ganz ungefährlich macht. Auch bei den beliebten Festveranstaltungen, zu denen immer viele Gastfahrzeuge anwesend sind, können diese nur mittels individueller Adapter oder gar nicht mit Cottbuser Loks und Wagen gekuppelt werden. Außerdem sind, aufgrund der historischen Entwicklung, heute fünf verschiedene Kupplungssysteme im Einsatz, die untereinander nur eingeschränkt oder nicht kompatibel sind: Die sächsische Trichterkupplung, Die Waldbahnkupplung in hochgesetzter Ausführung, die Albertkupplung am ICE, die gekröpften Kuppeleisen am Salonwagen sowie die Kupplung zwischen der Lok „Graf Arnim“ und ihrem Tender. Daher sollte es ein Ziel sein, mittel- bis langfristig durch Umbauten an den Fahrzeugen ein einheitliches und gängiges Kupplungssystem einzuführen, was die oben beschriebenen Nachteile kompensiert.

Texte: Christian Menzel

Verwendete Quellen: Fischer, Hoyer, Schulz: Die Wagen der sächsischen Sekundarbahnen. EK-Verlag, Freiburg 1998, Fachliche Beratung durch André Marks von der IG Wagen und eigene Recherche.